Warum Noten alleine in der Schule nicht der richtige Weg sind

Oder – was macht einen guten Coach aus ?

Ein Note ist ein verzweifelter Versuch, eine Leistung in Werte, in Metriken zu fassen. Was genau drückt aber eine Note wirklich aus ?

Es ist ein subjektiver Moment Zustand.

Ein praktisches Beispiel wären die Endnoten in meinem Studium. Ich bin nicht sonderlich gut in theoretischer Informatik – also habe ich mir Vorlesungen gesucht die einzuschätzen waren und da ich in Sorge war hier Probleme zu bekommen habe ich extra viel Energie in die Vorbereitungen gesteckt. Das Endergebnis war ein sehr gut, ich bin unter die 10 % der besten gekommen bei ca 400 Studenten in der Prüfung.

Eine Note ist nicht fair – weil die Menschen nicht gleich sind und auch nicht die gleichen Vorraussetzungen haben. Eine Note ist auch immer gefärbt durch den subjektiven Eindruck des Bewerters „wir geben dir eine gute Note, weil du sonst immer sehr gut warst“. Wenn ich aber Mist in der Prüfung gebaut habe, dann sollte ich ehrlicher Weise eine schlechte Note bekommen. Sonst hat das immer einen subjektiven Unterton.

Was genau sagt also eine solche Note aus ? Es ist nur ein momentaner Zustand. Es hätte ja sein können, das einen Abend vorher meine Katze stirbt oder es meiner Oma nicht gut geht. Oder ich einfach einen Anfall von Prüfungsangst bekommen hätte. Was hätte das über meine Fähigkeiten in der theoretischen Informatik ausgesagt ? Wenig bis gar nichts.

In Biologie hingegen, dem Fach wo ich schon immer meine grösste Leidenschaft verspürte war ich so naiv mir einen Biologie Prof zu suchen der wohl noch nie einen Informatiker geprüft hatte. Er liess sich auch nicht auf ein Vorgespräch ein um den Prüfungsrahmen abzustecken. So kam es, wie es kommen musste – er hatte wohl die Erwartungshaltung dass ich den selben Level wie ein Biologie Student nach dem Grundstudium haben sollte. Und das hatte ich natürlich nicht – ich bekam also nur eine schlechte drei und ärgerte mich dermaßen über den Biologen dass ich die nächsten 15 Jahre einen Bogen um die Biologie machte. Was ein großer Fehler war, denn meine Liebe zur Biologie hatte ja nichts mit der Prüfung zu tun.

Wäre es nicht besser, zunächst zu schauen wo derjenige steht und zu bewerten, wie er sich entwickelt hat ? Wäre es keine gute Idee, ihm zuzugestehen im Falle einer schlechten Note sich noch einmal dranzusetzen ?

Noten trennen Menschen. In gute und in schlechte, erfolgreiche und nicht erfolgreiche. Ich mag mir nicht anmassen Menschen in Kategorien zu stecken – weiß ich denn wie es der Katze und der Oma gerade geht ?

Wäre es nicht viel besser jeden individuell zu fördern und ihn auf einen Weg zu bringen, dass er selber herausfindet was er kann und was er will ?

Warum gibt es kein Fach Persönlichkeitsentwicklung oder nennen wie es „Glück“ in der Schule ?

Wenn ich lese, dass es zuwenig Informatik Studentinnen in Deutschland gibt und dass sie durch Noten motiviert werden sollen kann ich nur den Kopf schütteln: Ich kann wirklich sehr froh sein, dass ich mich nicht von der Schule von der Informatik habe abbringen lassen. Einerseits hatte ich das Vorurteil dass ein Informatiker sehr gut in Mathe sein muss (und meine Liebe für die Mathematiker und die Mathematik hält sich in Grenzen) – andererseits hatte ich nie ein gutes Vorbild. Mein Informatik Lehrer meinte wohl so gegen 1998 : „Thilo, was will ich jetzt noch mit dem Internet. In 5 Jahren gehe ich in Rente – Pascal kann ich dir beibringen, aktuelle objektorientierte Sprachen wie Java oder Netzwerke sind nicht mein Thema“.

Und genau DAS ist das Problem ! Es fehlt an Vorbildern für die Jugend. Es fehlt an Wissenschaftlern die nahbar sind, die zeigen dass jeder ein Wissenschaftler ist der seinen Kopf benutzt und sich Gedanken macht die Welt ein Stück weit besser zu machen. Es fehlt genauso an individueller Förderung, die sich genau ansieht wo die Person steht und den Focus darauf legt, wie er oder sie sich entwickelt. Genauso wie ich einen Arzt bezahlen sollte, dass ich gesund bleibe sollte ich einen Coach bezahlen, dass ich mich weiterentwickelt habe. Und nicht dafür, dass ich gut bin in dem wo ich schon gut bin.

Ich kann mich gut an die Verkündung der Prüfungsnoten in der Abizeit erinnern. Hier wurde Mords Spannung erzeugt, wer hat eine sehr gut, wer „nur“ ein gut. Was mich eher begeistert hätte wäre eine einfache Gruppenübung gewesen : „Hey, ich bin nicht zufrieden mit dem Abschneiden in der Prüfung mit euch als Team. Ich habe mir Mühe gegeben, euch das gut zu erklären, aber ich sehe noch mehr Potential bei den folgenden Personen a,b,c. Thilo, deine Aufgabe für die nächsten 3 Monate wird sein mit a zusammen eine Lerngruppe zu bilden und herausfinden was ich als Lehrer falsch gemacht habe. Ich erwarte, dass a bei der nächsten Prüfung mindestens 20% mehr Punkte bekomme – dann bekommst du folgenden Bonus bei deiner Endnote“. Okay, etwas radikal vielleicht – aber am Ende des Tages haben wir nie ehrlich darüber gesprochen warum es einfach ein paar Schüler gab die wir nur „mitgeschleift“ haben. Der Focus lag primär auf den schon sehr guten – und die sollten noch mehr „gepusht“ werden. Dabei hätte es doch mehr Sinn gemacht zu respektieren dass Sie schon gut sind und Sie herauszufordern auch den Rest mitzuziehen…..

Eine andere Idee wäre gewesen, die Perspektive zu wechseln und die Schüler zu Lehrern zu machen. Also b arbeitet sich tief in Thema x ein und referiert – solange bis es jeder verstanden hat. Der Lehrer tritt als Mediator auf und nur ein, wenn etwas fachlich falsch ist oder ins Stocken gerät…. Frontalunterricht regt nicht gerade zum selber nachdenken an. Das ist genauso wie netflix gucken – sich einfach berieseln lassen. Spannend fand ich zu dem Thema die Vorstellung von Christian Spannagel zum Thema – wie motiviere ich Studenten „activate the students“ : https://www.youtube.com/watch?v=b39JoxGf3Lk Er setzt gezielt auf Videos mit Aufzeichnungen – die Studenten kommen erst zu ihm wenn Sie den Stoff schon selbständig erarbeitet haben : https://www.youtube.com/watch?v=L0xTXGahEus

Ein tolles Vorbild für entsprechende Wissenschaftskommunikation ist „die Wissenschaftlerin“ https://www.tiktok.com/@diewissenschaftlerin auf Tiktok. So eine Professorin hätte ich mir gewünscht – dann wäre ich wahrscheinlich an der Uni geblieben und würde heute meine eigenen Vorlesungen halten um die Motivation an eine neue Generation weiterzugeben.