Die Tür

Kalte nackte Betonwand. Stufen, Stufen, Stufen…. Ich ärger mich gerade, dass ich zu spät komme. Ich habe zwar die Baguettes dabei, aber den Weg zum Studentenheim komplett unterschätzt.

Hoffentlich bin ich nicht der letzte. Was genau sagte die Gastgeberin – wieviele Gäste wollte kommen ? Das war die erste Einladung und in meiner Phantasie überlege ich mir verschiedene Szenarien. Bin ich overdressed ? Wird es nur die Gastgeberin im kleinem schwarzen sein ? Nein, wir haben ein herzliches aber Verhältnis aber diese Tür haben wir nicht geöffnet…

Werden die beiden Bekannten Afrikaninern mit dabei sein ? Sind die eigentlich Solo ? Nicht dass es einen Unterschied machen würde… Hätte ich das vorher in Erfahrung bringen sollen ? Na gut, ich lasse mich überraschen…

Noch eine Stuff, noch eine Stufe. Ziemlich hoch hier. Rechts ran. Auf einmal stehe ich gefühlt im freien mit 10 m über dem Boden – ah da gehts lang. Der Weg geht im Aussenbereich mit freier Sicht nach unten – ich gehe an grossen Glasscheiben mit den Wohneinheiten entlang. Der Wind ist kalt. Ich fühle etwas Adrenalin als mich etwas Höhenangst mit dem Kopfkino, ich könnte einfach über die offene Brüstung fallen.

Wie lange es wohl bis zum Aufschlag dauert ? Erinnert mich an einen Film mit einer Melone. Hier hielt der Psychologe den Selbstmörder from Sprung ab, indem er eine Melone fallen lässt. Böses Kopfkino…. Schon wieder ziemlich viel Phantasie in meinem Kopf. Vielleicht bin ich auch einfach nur etwas aufgeregt über dass, was mich erwartet.

Wie es wohl aussieht bei meinen Bekannten drei Mädels mit Afrikanischen Hintergrund ? Haben sie afrikanische Figuren überall herumstehen ?

Ich gehe weiter zur nächsten Tür. Dort finde ich das passende Klingelschild. Puh, angekommen. Ich atme tief durch und klingel. Eine Sekunde passiert nichts. Eine zweite Sekunde auch nicht. Ich sehe Bewegung hinter der Tür – das wird Sie schon sein. Was sie wohl anhat ?

Die Tür öffnet sich langsam und ein gefühlt doppelt so grosser, tiefschwarzer Afrikaner steht vor mir. Er ist muskulös, zwei Köpfe grösser als ich (und ich bin schon 1.90m) und gut trainiert. Ein Bär von einem Mann.

Ich erschrecke fürchterlich, weil ich ihn nicht kenne – wer ist das jetzt ?

Leicht benommen höre ich von Ferne eine tiefe Stimme meinen Namen sagen : „Du musst xxx sein“.

Ich erschrecke noch mehr. Woher kennt der mich ? In meiner Phantasie schnappt er mich mit seiner linken Hand und wirft mich über die Brüstung. Keine Chance.

Ich rechne innerlich alle meinen Sünden durch. Moment, ich habe mich nie mit einem Afrikaner angelegt, eine Afrikanierin habe ich auch nie dumm angemacht und erst Recht nicht seine Schwester geschwängert. Was zum Teufel will der von mir ?

Meine Herz schlägt schneller, meine Muskel werden mit Blut versorgt – Ich berechne innerlich meine Chancen – an ihm vorbeirennen, die Flucht ergreifen oder mich ergeben. Ich spiele in Sekundenbruchteilen diverse Szenarien durch (umrennne, wegrennen, schreien) – aber in jedem Szenario verliere ich. Er wird mich packen und hat genug Kraft um mich über die Brüstung zu werfen.

Er zögert als er merkt, dass ich weiss anlaufe.

Ein zögerliches „Ja…. ?“ kommt über meine Lippen.

Er antwortet: „Wusste ich es doch, es sind zwei Europäer eingeladen und den anderen kenne ich gut.“

Ich brauche ein neues Hemd. Ich merke wie langsam wieder Blut in mein Körper fliesst und ich wieder zu mir komme. Ich lächle leicht verlegen und taumle in den Raum.

Die Gäste sind ausgesprochen freundlich, haben alle ein sauberes Hemd an und im Gegensatz zu unseren Parties begrüssen Sie sich alle mit Respekt.

Ich bin nie wieder eingeladen worden – die Gastgeberin habe ich zuletzt bei meiner Hochzeit gesehen. Sie hat ihren Doktor gemacht und lebt mit Mann und Kind im Ausland. Die Geschichte mit dem Türsteher habe ich ihr nie so detailliert erzählt.